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Block-Denken – entscheiden oder wählen?

Sowohl privat wie auch im öffentlichen Leben werden uns wieder und wieder zwei Möglichkeiten zur Auswahl gestellt und wir sollen uns entscheiden.  

Im Privatleben handelt es sich häufig um jeweils zwei verschiedene Gruppen. um Frauen und Männer, um Jung und Alt, um Ausländer und Einheimische,- und zwar gleichermaßen in Arbeitsverhältnissen, in familiären Auseinandersetzungen oder auch in Beziehungsproblemen von sich mehr oder weniger Liebenden, wo oft überhaupt nur zwei Personen beteiligt sind.

Im öffentlichen Leben werden ähnlich jeweils häufig nur zwei Alternativen angeboten, zum Beispiel Demokraten und Republikaner, oder vorzugsweise nur SPD und CDU, oder Arbeitnehmer und Arbeitgeber,- weitgehend unabhängig davon, wo das jeweils der Fall ist. Demokratische Wahlen sollen dann die Lösung bringen. Sowohl die amerikanischen Präsidentschaftswahlen als auch die Abstimmung zum Brexit haben ganz knappe, nicht einmal völlig sichere Mehrheiten ergeben, so dass in besonders kritischen Fällen einzelne Stimmen über das Schicksal von vielen, vielen Menschen entscheiden könnten. Diese paar entscheidenden Stimmen stammen vielleicht von wenig informierten oder sogar zu kritischer Stellungnahme nur sehr beschränkt fähigen Menschen, zum Beispiel aus Altersgründen oder wegen einer Krankheit, welche möglicherweise unter Fremdeinfluss zu Wahllokalen gebracht werden.

Eine solche Situation sollte wohl vermieden werden, wird es aber nicht. Hat das praktische Gründe oder liegt ein Fehler in der Konzeption vor? Wenn wir diese Frage so stellen, legen wir erneut zwei Möglichkeiten zu einer Entscheidung vor, die ebenso mit einem Patt enden kann. Was tun?

Das Verfahren zur Entscheidung hat also prinzipielle, scheinbar unlösbare Mängel und müsste durch ein völlig anderes ersetzt werden. Auf ein Verfahren sind wir angewiesen. Also steckt das Problem in der Entscheidung. Es geht um eine nicht eingeschränkte Auswahl. Aus wie viel Möglichkeiten wir auswählen können, wird bei Entscheidungen oft und vielleicht sogar gern vergessen. Wenn wir aber mehr als zwei Möglichkeiten haben, handelt es sich nicht mehr m eine Entscheidung, sondern um eine Wahl. Entscheidung und Wahl sind zwei grundlegend verschiedene Begriffe, die offensichtlich auch dualen Charakter haben und eine Dimension aufspannen.

Entscheidung ist ein logischer Begriff und entspringt einer Frage nach Ja oder Nein, etwa nach gut oder übel, nach richtig oder falsch, nach echt oder fake. Die beiden Möglichkeiten, auf welche reduziert wird, heißen positiv oder negativ, was auf alt-hergebrachte Mathematik und damit auf die ihr nahestehende Logik hinweist.

Wählen ist dagegen ein komplexer Begriff und lässt viele Wahlmöglichkeiten zu. Sind dies vielleicht oft zu viele Möglichkeiten, so dass ein darauf basierendes Verfahren ebenfalls nicht “funktionieren” kann?

Funktionieren hat mit Funktionen zu tun, und Funktionen sind ein Kind der klassischen, eben eng mit Logik verbundenen Mathematik. Sie setzen ein abgeschlossenes System voraus. Doch umso weitere Bereiche der Welt dabei erfasst werden, desto weniger können wir von einem abgeschlossenen System reden. Desto weniger gilt also auch Logik und umso mehr müssen Entscheidungen durch “echte”, also mehrere Möglichkeiten eröffnende Wahlen ersetzt werden. Wahlen haben also ein höheres Niveau beigemessen werden als Entscheidungen.

An diesem Punkt lohnt ein Blick auf die Natur. Kennt sie dieses Problem, und falls ja, wie löst sie es? Die Antwort liegt in vielen Formen von Gruppenverhalten, seien es Herden oder Vogelschwärme oder was auch immer. Diese Gruppen entscheiden zwar eine anfängliche Zugrichtung zu einem zunächst wahrgenommenen Zeitpunkt, doch dann erfolgen laufend kleine Korrekturen durch Bezugnahme im Nachbarbereich. Die einzelnen Tiere einer Herde richten sich nach ihren Nachbarn, folgen den Erfolgreichen und vermeiden Gefahren. So bildet sich laufend ein leicht verändertes Verhalten der Gesamtheit heraus.

Jedoch ist die Natur nicht frei von Katastrophen, und auch mit diesen müssen die Tiere klar kommen. Dann ist nicht die Bezugnahme auf die Nachbarn die höchste Priorität, sondern Schnelligkeit in jeder Hinsicht. Das bedeutet, dass nicht viele Möglichkeiten berücksichtigt werden können, sondern ihre Zahl reduziert sich, und es kommt de facto zu einfachen Entscheidungen zwischen nur zwei Angeboten. Dies ist die Basis oder Erklärung für jedes sogenannte Block-Denken. Es ist nützlich in Ausnahmesituationen, muss dann aber wieder weiteren Auswahlmöglichkeiten weichen, welche im Grunde eine höhere Entwicklungsstufe darstellen.

In der Praxis bedeutet dies dann im öffentlichen Leben erhöhte Bedeutung von kleinen politischen Parteien oder Organisationen, im privaten Leben dagegen eine größere Zahl von Partnern. Beides wird von den anfänglichen Blöcken nicht gern akzeptiert oder sogar bekämpft, doch auch hier wird aller Wahrscheinlichkeit nach das allgemeine gruppendynamische Naturprinzip siegen, bis wieder eine neue Katastrophe eintritt, welche eine Reduktion der Wahlmöglichkeiten zugunsten von größerer Schnelligkeit erfordert.

Heute wissen wir, dass auf diese Art aus den mächtigen Dinosauriern die schnellen Vögel entstanden sind, und aus den schnellen Affen die mächtigeren Menschen.  

© Hans J. Unsoeld, Berlin 2017. All rights reserved.  

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